Singst du im Chor? Oder überlegst du dir, dich einem Chor anzuschliessen? Vielleicht kennst du die folgende Situation: Dein Chor macht ein Probewochenende und danach sind alle heiser. Hast du schon einmal im Publikum gesessen bei einem Chorkonzert eines Bekannten und hast dich «fremdgeschämt», weil es halt nicht so super klang? 😉 Singen im Chor ist anders als Solo singen. Aber nicht so anders, wie du vielleicht denkst. Und es gibt ein paar Dinge, die du dir überlegen solltest, bevor du dich einem Chor anschliesst.
Technikfalle: Hören versus Spüren beim Singen im Chor
Das allergrösste Problem, das mir in der Arbeit mit Chorsängerinnen und -sängern immer wieder begegnet, ist, dass ihnen meist gar nicht bewusst ist, worauf sie beim Singen eigentlich achten müssen. Sie stürzen sich voller Elan in die Probe und sind danach heiser. Der häufigste Grund dafür ist ein falscher Fokus. Die Sängerinnen und Sänger konzentrieren sich voll auf die Dirigentin, auf die Noten, den Text, den Sänger nebendran, den Witz, den der auf der anderen Seite grad gemacht hat etc. etc. und nehmen sich selbst gar nicht richtig wahr. Sie merken z.B. nicht, wie laut sie selbst singen, sie hören sich selbst schlecht oder gar nicht und sie spüren nicht, wann wieviel Energieeinsatz nötig ist.
Lautes Singen an sich ist nicht gefährlich für die Stimme und macht auch nicht heiser – solange diese Lautstärke auf gesunde Art und Weise erzeugt wird. Und dafür ist ein bisschen Technik und Übung nötig und – vor allem – ein Bewusstsein dafür, dass es wichtig ist, den eigenen Körper auch beim Singen im Chor gut wahrzunehmen und sich nicht nur nach aussen zu orientieren.
Wahrnehmungsfalle: Du bist zwar in einer Gruppe, aber man hört dich trotzdem
Immer wieder begegne ich der fixen Idee, dass man – wenn man leise singt und sich zurückhält bzw. an den anderen Sängern orientiert – nicht gehört wird bzw. der eigene Gesang keinen Einfluss nimmt auf den Gesamtklang. Oft ist die betreffende Person etwas schüchtern und unsicher in Bezug auf die eigene Stimme und will partout keine Fehler machen.
Es stimmt natürlich nicht, dass man dich nicht hört, wenn du leise singst. Man hört alle. Und wer nur zögerlich einsetzt oder immer erst dann, wenn die anderen schon singen, der macht den Gesamtklang des Chors schwammig und ungenau. Beim Singen im Chor, ist es also total wichtig, dass du realisierst, dass dein Beitrag wichtig ist. Deine Stimme trägt genau wie alle anderen zum Gesamtklang bei und du musst dir die nötige Sicherheit erarbeiten, sodass du deinen Teil AKTIV leisten kannst und nicht einfach nur mitschwimmst. Schau dir z.B. meinen Blogartikel zum Thema „Hoch singen“ an, wenn du ein paar Techniktipps brauchst.
Welche Erwartungen und Ansprüche hast du? Und welche hat der Chor?
Bevor du dich einem Chor anschliesst, ist es wichtig zu klären, was von dir erwartet wird und dir bewusst zu machen, aus welchen Gründen du mitsingen möchtest. Individualismus ist omnipräsent – Chorsingen ist aber eine Gruppenangelegenheit und deine Präsenz an den Proben ist wichtig. Mach dir bewusst, dass eigene Wünsche zugunsten der Gruppe manchmal zurückgestellt werden müssen. Das ist besonders bei Terminabsprachen wichtig – da kann nicht jeder Kindergeburtstag berücksichtig werden. Kläre also die folgenden Fragen:
- Wann und wo wird geprobt?
- Welche terminlichen Verpflichtungen bestehen und kannst du ihnen nachkommen?
- Was ist an Vorbereitung für die Proben nötig? Wird erwartet, dass du zwischen den Proben selbständig übst und gibt es allenfalls Hilfsmittel wie Backingtracks?
- Welche Vorkenntnisse musst du mitbringen? Solltest du z.B. Notenlesen können oder bist du bereit es zu lernen?
- Welches Repertoire hat der Chor, was sind die Stilrichtungen?
- Wird bei Konzerten auswendig gesungen?
- Was ist deine Motivation? Zusammensein mit anderen? Gemeinsames Musikmachen? Etwas Gutes erarbeiten? Ohne Verpflichtung Spass haben? (Achtung – Fangfrage… 😉 )
- Wieviel Zeit bist du bereit, zusätzlich zu den Proben zu investieren? Kannst du dich auch anderweitig engagieren z.B. für Werbung oder Organisatorisches?
- Was sind deine musikalischen Ambitionen, liegt dir z.B. daran, komplexe Arrangements zu singen?
Wenn du diese Dinge im Vorfeld klärst, dann sollte rasch klar werden, ob du und der betreffende Chor zu einander passt oder nicht.
Die Selbstverwirklichung des Chorleiters 😉
Ich habe schon so oft in Konzerten gesessen und mich darüber geärgert, dass das ausgewählte Material für die beteiligten Sänger:innen zu schwierig war. Den Wunsch eines jeden Chorleiters, tolle und auch schwierige Stücke einzustudieren, kann absolut nachvollziehen – ich hab’ ja auch meine Ambitionen. 😉 Aber wenn es darauf hinausläuft, dass der Chor überfordert ist und das Ergebnis zu wünschen übriglässt, dann decken sich entweder die Ansprüche des Chorleiters nicht mit den Fähigkeiten der Sänger oder sowohl Sänger als auch Chorleiter haben unterschätzt, was an Training nötig ist, das betreffende Repertoire richtig zu beherrschen. Ein Chorkonzert, das nicht richtig klingt und schwingt, ist einfach eine traurige Angelegenheit. Hör dir, bevor du einem Chor beitrittst, Aufnahmen an oder geh an ein Konzert, wenn möglich. Besuche eine Probe und sprich mit der Chorleiterin/dem Chorleiter über das Repertoire, deine Vorkenntnisse und informiere dich über das Lern- und Probekonzept.
Fazit
Singen macht Spass und Singen im Chor ist eine tolle Sache, die Gesundheit, Wohlbefinden und sozialen Zusammenhalt fördert. Ich bin total dafür. Ich bin aber auch ein Verfechter von guter Qualität. Ja, Chorsingen ist für die allermeisten Leute ein Hobby. Was aber ist ein Hobby? Etwas, das man zum Spass macht? Etwas, mit dem man kein Geld verdient? Ja, schon, aber damit man auch wirklich etwas davon hat, muss man sich wahrscheinlich bei allem Spass auch zwischendurch mal ein bisschen anstrengen. Spass und Anstrengung schliessen sich nicht aus. Sie führen in Kombination zum besten aller Ergebnisse: Zu einem erfüllenden Erlebnis – nicht nur für mich, sondern auch für die anderen. Also – ab in den Chor! Gib alles! 😉